Meiden Sie Einbauküchen

Buchcover: Das Geheimnis des NeuenNeulich war ich bei einem Künstlerpaar zum Abendessen eingeladen. Die geräumige Wohnung war kreativ und unkonventionell eingerichtet, das Mobiliar wirkte bewusst und mit Bedacht konzipiert. Alles in dieser Wohnung war weit entfernt von der häufig anzutreffenden Beliebigkeit in gängigen Möbelhäusern. Das galt auch für die Küche. Gerne wurde mir erklärt, dass hier handgemachte Fliesen aus Marokko verarbeitet seien. Die Küche wirkte reduziert und benutzt. Es gab keine Hängeschränke und Rollschubladen. Was an Töpfen, Pfannen und Utensilien benötigt wurde, war weitgehend sichtbar. Daneben thronte eine auffallend große und glänzende Espressomaschine italienischen Ursprungs, die nicht ein Vollautomat sondern der Hausherr bediente. Die Ausstattung war hochwertig, ästhetisch und nach eigenen Maßstäben geordnet. Alles war da, nichts war perfekt.

Diese Küche hatte wenig gemein mit der häufig laborähnlichen Anmutung mancher Einbauküchen, in denen es nicht selten weniger ums Kochen sondern mehr ums Vorzeigen, Verstauen und Verwalten von Utensilien geht, von denen viele nur ausnahmsweise im Praxiseinsatz sind. Diesen Zustand der Harmonie und geordneten Administration gilt es nun zu schützen, echtes Kochen würde dabei nur stören. Dass an so einem Ort kreative Gerichte erschaffen werden und es mitunter auch einmal emotional und leidenschaftlich zu Werke geht, ist schwer vorstellbar.   Eher so: Feste Rezepte anstelle Ausprobieren, Technik anstelle Handwerk, und natürlich: Ordnung first!

Strukturdenken und hohe Organisationsgrade bringen selten Sachen ins Rollen. Im privaten Leben nicht und auch meist nicht in Unternehmen. Eine Ikone für Neues ist das brasilianische Fertigungsunternehmen Semco. Organigramme gibt es hier nur in Ausnahmenfällen und für temporäre Projekte, danach werden sie sofort wieder gelöscht. Bürokratie und Administration wird auf absolutes Mindestmaß reduziert. Regelmäßig wird entrümpelt und alles weggeworfen, was keine nachgewiesenene Verwendung mehr hat. Geschaffen wird Platz für Neues, der in Unternehmen und im privaten Leben erst dann entstehen kann, wenn man sich von zu viel Struktur befreit hat.