Mit Sting auf den Brünnstein

neulich01Neulich wollte ich am Brünnsteinlauf teilnehmen. Das ist ein Berglauf den Brünnstein hinauf und wenn man oben ist, darf man sich guten Gewissens ein Bier gönnen. Slow-Food Anhänger und sonstige Genussmenschen sucht man hier vergeblich. Stattdessen lernt man Läufer mit minimalem Körperfettanteil kennen, welches gerne in Kompressionsstrümpfen und bauchfreien Lauftrikots verpackt ist. Ich hatte an dem Lauf bereits einmal vor neun Jahren teilgenommen und wusste, dass ich nicht die Kernzielgruppe dafür war. Nach einem Abgleich der Zeiten aus den letzten Jahren hatte ich Gewissheit, dass mich meine voraussichtliche Zeit für einen der hintersten Plätze im Klassement meiner Altersstufe qualifizieren würde. Das war wenig motivierend. Noch mehr irritierte mich die Erinnerung an das damalige Rennen, welches ich weitgehend ohne Kontakt zum Hauptfeld bestritt. Ich dachte immer, dass ein Schlusspurt am Ende des jeweiligen Rennens stattfinden – in meiner Erinnerung war es damals jedoch so, dass das Feld den Schlussspurt gleich an den Anfang setzte – zumindest kam es mir damals so vor – und ich kurz nach dem Start eine gute Stunde ziemlich alleine den Berg hinauf lief und meine Mitläufer erst im Ziel wieder traf, als diese ihren Durst bereits mit dem zweiten Weißbier löschten.

In meinen Überlegungen, ob ich nochmals teilnehmen sollte, summte ich eine Textzeile von Sting, der in seinem „Englishman in New York“ einen Britten in New York besingt, der in der fremden Stadt die passende Balance aus Anpassung und Eigenständigkeit sucht.  „Be yourself no matter what they say“ rät ihm Sting im Refrain – und als ich das hörte, wusste ich, das war auch mein Refrain: „Geh deinen eigenen Weg, lauf dein eigenes Rennen“. Anstelle mein eigenes Leistungsvermögen anzunehmen und meine eigene Leistung zu würdigen, konzentrierten sich meine Gedanken auf einen sinnlosen Vergleich. Ich war auf dem besten Weg, eine objektiv respektable Leistung in eine Niederlage umzuwidmen.

Vergleiche sind en vogue im Management – und es gibt für dieses „Benchmarking“ auch viele gute Gründe. Allerdings sollte man sich nur vergleichen, wenn man der „Benchmark“ auch wirklich nacheifern will und kann. Ansonsten konzentriert sich die Wahrnehmung nur auf das eigene Defizit – nicht aber auf das eigene Potential, die eigene Qualität und das eigene Glück.

Mit dieser Einsicht kamen die Vorfreude und die Leichtigkeit zurück und ich beschloss, an dem Lauf teil zu nehmen. Am Rennmorgen vertraute ich mehreren Espressi und Croissants und dopte mich mit Bachs Weihnachtsoratorium.  Ich genoss den Lauf und meine Erkenntnis, wie großartig es sein kann, sich nicht zu vergleichen.