Scheitern durch Kundenorientierung

Buchcover: Das Geheimnis des NeuenNutzen Sie noch ein Nokia-Handy? Und können Sie sich noch an Fotos von Kodak erinnern? Beide Unternehmen klingen heute fast schon ein bissel nostalgisch, dabei ist ihr Niedergang erst wenige Jahre her. Und: Sind die stolzen, deutschen Automobilbauer gar die nächsten in dieser Reihe? Das Dilemma dabei ist, dass erfolgreiche Branchenführer auch dann scheitern können, wenn sie „alles richtig“ gemacht haben: Kundenorientierung, Innovation, Umsatz- und Ertragswachstum und funktionierende Führungs- und Entscheidungssysteme. Unternehmen, die akribisch im Dienste ihrer Kunde unterwegs sind und dennoch alles verlieren können. Wie kann das sein?

Für etablierte Unternehmen macht es Sinn, ihre bestehenden, bereits erfolgreichen Produkte und Dienstleistungen immer weiter zu verbessern und zu perfektionieren – und genau das tun sie. Branchenführer tätigen daher meist Verbesserungsinnovationen. Ein Engagement in sogenannte disruptive Technologien, also völlig neuartige Produkte und Dienstleistungen – wie derzeit die E-Mobilität oder aus Sicht von Kodak damals die digitale Fotografie – lohnt sich für sie schlichtweg nicht: Es ist attraktiver, die gute Marktstellung bei den bereits etablierten Produkten weiter zu nutzen und die (derzeitig noch) satten Erträge mitzunehmen. Zudem entstehen disruptive Technologien zu Anfang meist in einer Nische, oft bieten sie zu Beginn auch keinen klar erkennbar höheren Kundennutzen und werden auch nur von wenigen Kunden nachgefragt. Alles Gründe, weshalb etablierte Unternehmen diese zu Beginn meist belächeln und sich in Sicherheit wiegen.  Technologien entwickeln sich allerdings oftmals schneller als die Markt- und Kundenbedürfnisse. Die Technologie wird besser und besser, doch die Kunden bleiben zunächst noch beim Bewährten – auch das erleben wir gerade in der E-Mobilität. Irgendwann zieht dann aber die Marktnachfrage und das Interesse an den neuen Technologien an und bringt dadurch bis dato scheinbar unangreifbarer Branchenriesen, die sich immer an den bekannten Kundenbedürfnissen orientiert haben in Schwierigkeiten, da sie nicht auf „das Neue“ gesetzt haben.

Was dagegen tun? Eine mögliche Gegenstrategie der heutigen Branchenführer könnte sein, selber zum eigenen Konkurrenten zu werden, indem disruptive Technologien im eigenen Unternehmen von Beginn an in eigenen Teams parallel mitentwickelt werden oder innovative Firmen zugekauft werden. Das muss nicht immer der ganz große Wurf sein, wie beispielsweise „Drive Now“, eine Kooperation von BMW und Sixt, welche die Leitthemen „Teilen“ und „Mobilität anstelle von Besitz“ erfolgreich umgesetzt haben.

Etablierte Unternehmen sollten sich nicht darauf verlassen, dass sie die heutigen Kunden zu Innovationen führen. Kundenorientierung ist essentiell bei Verbesserungsinnovationen und führt in die Sackgasse bei disruptiven Innovationen. „Scheitern durch Kundenorientierung“ – diese Aussage geht einem schwer über die Lippen.

Das Neue ist komplex!