Vertriebsfreund Folge 10

vertriebsfreund01Jede Sache hat wie selbstverständlich ihren Preis

Die Umsatzerlöse hatten sich in den letzten Monaten positiv entwickelt. Der Vertrieb war auf Kurs und es deutete alles darauf hin, daß das Jahresziel erreicht werden würde. Walter war als Vertriebsleiter mit den Zahlen sehr zufrieden. Seine Position innerhalb der Geschäftsleitung schien gefestigter denn je, er hatte sich das Vertrauen des Geschäftsführers erarbeitet und auch die Eigentümerfamilie begegnete ihm respektvoll und wertschätzend. Einzig der kaufmännische Leiter nörgelte an den seiner Meinung nach zu geringen Margen imVerkauf herum. „Diese Controllertypen”, ärgerte sich Walter im Stillen, „haben doch keine Ahnung, wie schwierig es oft ist, an das Geld der Kunden zu kommen.” Aber er wusste auch, daß der kaufmännische Leiter mit seiner Kritik recht hatte. Die Margen waren seit Jahren zu gering und es war nun an Walter, dies zum Besseren zu entwickeln. „Wir brauchen bessere Margen und ich glaube, Ben kann mir dabei helfen.” dachte Walter.
Er entschloss, dass es wieder einmal an der Zeit wäre, mit Ben eine gute Flasche Rotwein zu trinken und sich so dem Thema zu nähern. Ben musste hierzu nicht lange überredet werden und er genoss den Bordeaux sichtlich. „Wie schaffen es die Franzosen eigentlich, den Bordeaux zu diesen Preisen zu verkaufen? Von unserem Wein kostet die Flasche 40 Euro und ich musste schnell bestellen, um überhaupt noch was bekommen,” brachte Walter das Gespräch in die gewünschte Richtung. „Gut, der Wein ist ja auch top, und dann machen sie auch noch ein super Marketing, das muss man schon anerkennen”, lächelte Ben. „Aber auch in der Produktpräsentation machen sie vieles richtig. Weisst Du, wie man eine Flasche für 40 Euro am besten präsentiert,” fragte Ben. Walter schüttelte den Kopf. „Wenn Du eine Flasche für 40 Euro verkaufen möchtest, stellst Du diese am besten zwischen eine Flasche für 80 Euro und eine für 12 Euro. Die meisten Kunden kaufen das Produkt mit dem mittleren Preis. Gut funktionieren auch sogenannte Preisanker: Hochpreisige Produkte, die der Kunde als Erstes sieht und deren Preis sich in seinem Unterbewusstsein verankert. Nach einer Flasche Rotwein für 150 Euro wirkt dann unser Wein für 40 Euro schon fast wie ein Schnäppchen, oder? Die teure Ware wird immer zuerst präsentiert.” „Raffiniert”, seufze Walter, „leider geht das in unserem Geschäft nicht so einfach. Wir haben zu geringe Margen, Ben, und ich stehe vor der Aufgabe, dies zu ändern. Kannst Du mich dabei unterstützen”? Ben dachte kurz nach: „Ja, natürlich, zusammenkriegen wir das hin.”

Am nächsten Morgen saß Ben bereits im Büro und sah sich die Angebote an: „Warum gebt ihr automatisch Skonto”, fragte er Walter. Walter stutzte: „Gut, das ist halt schon immer so gewesen, unsere Kunden haben sich daran gewöhnt.” Ben schüttelte den Kopf: „Die Firma macht rund 250 Millionen Euro Umsatz – wenn jetzt bei allen Rechnungen 2% Skonto abgezogen wird, nur, damit die Kunden halbwegs pünktlich ihre Rechnungen zahlen, dann fehlen uns jedes Jahr wie viel in der Kasse, Walter”? „5 Millionen Euro”, sagte Walter leise. „5 Millionen Euro sind viel Geld für eine schlechte Gewohnheit, meinst Du nicht auch, Walter”? Walter öffnete seinen Krawattenknoten und wirkte blass. „Dabei ist Skonto so gut wie nie für den Kunden kaufentscheidend, oder kaufst Du irgendwas, was Du nicht benötigst, nur weil Du dafür Skonto bekommst”? Ben schien erregt: „Es ist mir klar, dass wir das nicht von heute auf morgen ändern können, aber wir müssen mit diesem Thema sensibler umgehen. Skonto gibtes bei Neukunden nur noch im Zuge konkreter Verhandlungen und unsere Bestandskunden müssen wir Schritt für Schritt entwöhnen”. Walter stimmte zu: „Ja, das Thema Skonto ist heikel. Aber Du hast recht: In Verkaufsgesprächen steht Skonto nie im Mittelpunkt und wir verschenken danach ohne Not einen Teil unser Marge. Lass uns daran arbeiten. Kannst Du bitte kurzfristig mit dem Sales-Team ein Training machen zum Thema Preisdurchsetzung”? „Ja, ich denke mir gerne ein passendes Workshopkonzept aus und ich bin optimistisch, daß unsere Verkäufer lernen werden, unsere Preise beim Kunden durchzusetzen.” Im Workshop erklärte Ben Überraschendes: „Ich könnte jetzt mit euch die ganze Bandbreite an Techniken in der Preisargumentation trainieren: Sandwichmethode, Zerlegungsmethode, Pencil Selling, Pennies-a-Day-Effekt, Kompensationsmethode und viele andere mehr. Ich möchte euch aber nur einen Grundsatz verinnerlichen: Die Selbstverständlichkeitsregel. Jede Sache hat wie selbstverständlich ihren Preis. Und je überzeugender ihr unsere Preise kommuniziert, desto leichter werdet ihr zu guten Preisen verkaufen. Sichere Preiskommunikation erfordert gute Vorbereitung und vor allem mentale Stärke sowie innere Überzeugung. Wenn ihr also Schwierigkeiten habt, unsere Preise durchzusetzen, seid ihr nicht ausreichend vorbereitet. Ich habe folgenden Trainings-Parcours für euch aufgebaut: Rainer von der Technik wird mit euch noch einmal alle unsere Produktstärken wiederholen. Peter wird euch unsere besondere Service- und Dienstleistungsmentalität einbläuen und Thomas hat eine ausführliche Wettbewerbsanalyse für euch vorbereitet. All das kennt ihr natürlich – aber anscheinend habt ihr es noch nicht genug verinnerlicht. Nach der Mittagspause zieht sich bitte jeder zurück und übt die eigene Preisargumentation. In der Kaffeküche im 2.Stock habe ich große Spiegel aufstellen lassen, damit ihr euch selber dabei sehen könnt und feststellen könnt, wie leicht und selbstverständlich euch das bereits gelingt”, beendete Ben seine Ansage. Die Vertriebsmannschaft machte sich auf zur ersten Station und Ben gab ihnen noch mit auf den Weg: „Bitte bedenkt, dass der Kunde nie für ein Produkt bezahlt. Er zahlt für das Produkt gemeinsam mit unserem Service, unserer Kompetenz und Beratung sowie das Vertrauen, daß er in unsere Produkte, in die Firma und in euch hat. Also: Preise hoch! Heute Nachmittag möchte ich von jedem unsere Preise überzeugend kommuniziert bekommen. Ohne Rabatte und ohne sonstige Vergünstigungen und ohne Angst, dabei einen Kunden zu verlieren. Sondern in einem verbindlichen, freundlichen und klaren Ton und mit selbstbewusster Körpersprache. Und selbstverständlich mit einem guten Gefühl dabei.”

>>(Fortsetzung folgt